Zukunftsblick

Am Beginn steht eine gewichtige Frage: Wie sehr lebst du innerlich in der Zukunft? Wie sehr kreisen deine Gedanken um das Morgen, das Übermorgen und das nächste Jahr? 

Manchmal ist die Wahrheit leicht: Egal wie sehr du planst und deinen Blick in die Zukunft richtest - dein Leben spielt sich immer JETZT ab. Versteh mich nicht falsch: Es ist wichtig, sich Pläne zu machen, Ziele zu setzen, strategisch zu denken. Aber die praktische Umsetzung all deiner Zukunftsgedanken findet immer im Hier und Jetzt statt. Lebst du gegen diese einfache Wahrheit, wirst du immer wieder in der einen oder anderen Form scheitern.

Ganze Wirtschaftsbranchen leben vom Zukunftsblick. Berater in Banken, Finanzanalysten, Wahlforscher und Wetterfrösche - um nur einige zu nennen. Es ist amüsant und aufschlussreich zugleich zu sehen, wie oft Menschen mit ihren Prognosen für die Zukunft danebenliegen. Das Paradebeispiel dafür war der Finanzcrash vor gut zehn Jahren. Ab dem 9. August 2007 konnte man von einer gigantischen Finanz- und Wirtschaftskrise sprechen, die die Welt jahrelang in Atem hielt und die Schwächen dieses Systems schonungslos offen legte. Die allermeisten der selbst- und fremdernannten "Experten" sah diese Krise NICHT voraus. (Es ist ironisch, dass dieselben Experten bis heute ihre Lehrstühle an den Universitäten behielten, in den Talkshows und Börsenmagazinen ihre Prognosen immer wieder erneut abgaben und die Öffentlichkeit ihnen bis heute dennoch Vertrauen schenkt.) Künftige Aktienkurse aus bisherigen Kursverläufen vorherzusagen ist in etwa so seriös wie der Gang zur Wahrsagerin auf einem Jahrmarkt - wobei sich die "Kunden" bei der Wahrsagerin noch eher bewusst sein sollten, worauf sie sich da einlassen. Wenn aber Oma Gertrud kurz vor dem Abendprogramm den netten Damen und Herren der Börsensendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ihr herzallerliebstes Vertrauen schenkt, dann werde ich wütend. Die vollkommene Offenheit der Zukunft wird dort nicht nur ausgeblendet, sondern bewusst geleugnet. Seht her! Wir kennen die Zukunft! Es könnte ziemlich wahrscheinlich so und so werden. Oder auch nicht... Oma Gertrud jedoch sollte ihr Vermögen eben nicht diesen Zukunftsagenten anvertrauen. Wer an den Börsen nicht über Insiderinformationen verfügt, kann die Kurse nicht vorhersagen. Und wer ist schon wirklich ein Insider? Sie sprechen wohl kaum über ihre Informationen. 

Noch peinlicher wird es beim Wetter. Beliebtes Gesprächsthema allerorten. Das Wetter wird am Wochenende so und so... So, so. Wirklich? Selbst die besten Prognosesysteme können allenfalls wenige Tage lang einigermaßen genau für einen Ort das Wetter vorhersagen. Stundengenaue Vorhersagen sind noch komplizierter. Je instabiler die Großwetterlage, umso vager werden die Prognosen. Aber wann hörte man zuletzt einen Wetterexperten sagen: Nun ja, eigentlich wissen wir nicht wirklich, wie in sieben Tagen das Wetter wird... Das globale Klimasystem ist zu komplex und wandelbar. Zu komplex und wandelbar für langfristige Prognosen.

Komplex und wandelbar... Das trifft auf die menschliche Geschichte im kleinen wie im ganz großen zu. Die Zukunft ist offen. Deine. Meine. Unsere. Manchmal möchte ich sagen: Alles in unserem Leben spielt sich zwischen unberechenbaren Zufällen ab, die wir nur selten verstehen, egal wie sehr wir es wollen. Wie seht die Welt in zehn, zwanzig, hundert Jahren aus? Keiner weiß es. Wie geht man damit um? Annehmen. Zurücklehnen. Und den Blick schweifen lassen. Vielleicht Richtung Zukunft. Vielleicht aber auch ganz woanders hin.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0