Jetzt

Ratschläge. Weisheiten. Gute Tipps. Sinnspruche. Zitate. 


Überall.

Mein ganzes Leben höre ich sie. Schon als Baby habe ich ihnen wohl gelauscht. Als Kind. Als Erwachsener.

Immer. Überall.

Manche Ratschläge und Weisheiten habe ich ignoriert, einige erprobt, manche weitergegeben und wenige kommen scheinbar aus mir selbst, als hätte ich sie „erfunden“ (was natürlich Quatsch ist).

 

Von einem Ratschlag, von einer „Weisheit“ (was auch immer das ist) kann ich jedoch sagen, dass sie mein Leben enorm geprägt und tief verändert hat. Sie ist so simpel wie gehaltvoll: „Jetzt! Lebe im Hier und Jetzt! Vergangenheit und Zukunft sind Illusionen deines Verstandes.“

 

Bei Eckhart Tolle las ich das erste Mal vor einigen Jahren davon. Seitdem entdecke ich bei vielen Philosophen, religiösen Führern, Esoterikern und auch im Alltag - etwa im Gespräch mit meiner Oma - diese „Weisheit“. Sie kleidet sich in verschiedenen Gewändern und kreist doch um einen Kern menschlicher Erfahrung: In unseren besten Momenten, in den Momenten, in denen alles „vollkommen“ war, wir uns geborgen, geliebt, schöpferisch, mächtig, …, fühlten, waren wir vor allem gegenwärtig. Wir waren bei uns. Wir waren im Moment. Im Augenblick. Wenn „alles perfekt“ ist, gibt es keine Zukunft, keinen Gedanken an die Zukunft. Wenn „alles perfekt“ ist, gibt es keine Vergangenheit. Gegenwärtigkeit und Glück scheinen nicht nur einen Anfangsbuchstaben zu teilen.


Ich liebe das Schreiben. Jetzt in diesem Moment denke ich nicht daran, was ich morgen frühstücken werde, wie viel Geld ich in zehn Jahren verdiene oder werte innerlich die vergangene ereignisreiche Woche aus. Ich bin präsent. Ich bin sogar im Flow. Alles kommt von alleine. Ich bin gegenwärtig. 

 

Wie entstehen Angst und Sorge: Durch ein Leben in der Zukunft. Wie entstehen Schuld und das Nachtrauern: Durch ein Leben in der Vergangenheit.

 

Szenenwechsel: Aldi. Ich schnappe mir meine paar Sachen, gehe zur Kasse. Ich muss anstehen. Vor mir eine lange Schlange. Ich schätze, etwa fünf Minuten. Jetzt müssen Sie sich entscheiden: Sehen Sie diese Zeit als verschwendete Lebenszeit, als Warte-Zeit (warten auf etwas…) an oder als Genuss-Zeit, als Zeit, bewusst zu atmen, gegenwärtig zu sein und bewusst den Moment wahrzunehmen? Wie entscheiden Sie sich? Wie verhalten Sie sich? Wie verhalten Sie sich MEISTENS?

Man kann einen ganzen Tag leben, ohne nur eine Minute gegenwärtig gewesen zu sein. Innerlich in der Zukunft leben, planen. Innerlich in der Vergangenheit leben. Nachtrauern. Hadern. Dann hat man diesen Tag nicht gelebt.

 

Man kann einen ganzen Monat leben, ohne nur eine Stunde gegenwärtig gewesen zu sein. Innerlich in der Zukunft leben, planen. Innerlich in der Vergangenheit leben. Nachtrauern. Hadern. Dann hat man diesen Monat nicht gelebt.

 

Man kann fast ein ganzes Leben leben, ohne nur ein Jahr lang gegenwärtig gewesen zu sein. Innerlich in der Zukunft leben, planen. Innerlich in der Vergangenheit leben. Nachtrauern. Hadern. Dann hat man dieses Leben nicht gelebt.

 

Diese Beobachtung scheint für Kinder, besonders für kleine Kinder nicht zu gelten. Das finde ich faszinierend. Kleine Kinder und Tiere leben intensiv im Hier und Jetzt. Schafe sorgen sich nicht, ob sie morgen genug zu fressen haben. Kleine Kinder beobachten mitunter minutenlang einen Fussel. Das ist nicht nur drollig, sondern kann auch lehrreich sein.

„Aber Michael, wir Menschen müssen doch planen. Ohne Plan funktioniert nichts. Du musst doch an die Zukunft denken!“ Das höre ich immer wieder. Und es ist wahr. Ziele sind gut, Planungen, Strategien, Konzepte sind allesamt gut. Aber nur, wenn sie uns dienen und nicht Besitz von uns und unserem Ego ergreifen. Und das ist allzuoft der Fall.

Es schließt sich nicht aus: Ich will innerhalb der nächsten sechs Monate insgesamt zwanzig Kilo abnehmen. Das ist ein tolles Ziel für viele Menschen. Aber die PRAKTISCHE UMSETZUNG eines Ziels findet IMMER IM HIER UND JETZT STATT. Ob Sie es wahr haben wollen oder nicht: Ihr Training findet im Hier und Jetzt statt. Ihre Nahrungsaufnahme ebenso. Die Entscheidung, die Treppe oder den Fahrstuhl zu nehmen, wird eine Entscheidung im Hier und Jetzt sein. 

 

Das Leben im Hier und Jetzt ist mein ultimatives Geistestraining. So wie ich meinen Körper trainiere, trainiere ich meinen Geist mit der Gegenwärtigkeit. Wenn ich acht Stunden schlafe, bin ich sechzehn Stunden wach. Ich glaube, dass ich von diesen sechzehn Stunden höchstens ein paar Stunden wirklich präsent und gegenwärtig bin. Einen Gutteil der Wach-Zeit lebe ich innerlich immer noch in der Zukunft oder der Vergangenheit, weil sich mein Ego, mein Michael-Ich von diesen Geschichten nicht vollkommen befreit hat. Noch nicht. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, in welche Richtung meine Permation noch fließen wird. Ach, stopp, jetzt plane ich ja schon wieder. 

 

Ich glaube, dass nur eine Handvoll Menschen permanent gegenwärtig leben. Vielleicht geht das auch gar nicht. Ich weiß jedoch, dass mir diese „Weisheit“ sehr viel Neues gezeigt hat. Ich sehe mehr. Bei mir. Bei anderen Menschen. Ich bin dadurch ruhiger geworden und finde schneller Zugang zu meinem Geist und meiner Seele. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Schulen unsere Kinder zu sehr in Richtung Zukunft, Erwartung konditionieren. Die Kurzlogik: Du gehst in die Schule, DAMIT du später einen guten Job bekommst (Erwartung). Du kannst das Abitur machen, DAMIT du später studieren kannst (Erwartung). Du musst in der Schulzeit möglichst viele gute Noten sammeln, DAMIT du versetzt wirst (Erwartung). Lerne für den Test (nicht für dich selbst!), DAMIT du eine gute Note bekommst (Erwartung). Ohne die Aufrechterhaltung von Erwartungen und Zukunftsverheißungen würde das Bildungssystem nicht funktionieren. Es geht dabei vorwiegend um Noten, Abschlüsse und Berufsvorbereitung, eben Aus-Bildung. Das Verrückte dabei: Wir Menschen LERNEN IMMER IM HIER UND JETZT. Wir wollen jetzt wissen. Wir wollen jetzt können. Wir trainieren immer im Hier und Jetzt. Wie gesagt: Ziele ja, Pläne ja. Aber die praktische Umsetzung ist jenseits von Noten, Credits und Abschlüssen. Mit anderen Worten: Die Gegenwärtigkeit (des Lernens, Wissens und Könnens) genügt sich selbst.

 

Ich glaube zudem, dass Menschen, die sich sehr um ihre Zukunft sorgen (oder künstlich Sorgen eingeimpft bekommen), besser beherrschen, besser regieren lassen. Wenn ich nach links und rechts in einer beliebigen deutschen Fußgängergasse sehe, steht es nicht wenigen Menschen ins Gesicht geschrieben, dass sie eben nicht gegenwärtig leben, sondern innerlich ganz woanders sind. Zukunftszombies. Vergangenheitverlorene. Wenige nehmen präsent ihre Umgebung, sich selbst, die Menschen um sie herum wahr, wirklich wahr.

 

Mein Horror: Ein Leben, ausgerichtet auf die Rente. „Wenn ich erst Rentner bin, dann…“ Leeres Leben. 

 

Aus egoistischen Gründen der inneren Geisteshygiene umgebe ich mich gerne mit Menschen, die stark im Hier und Jetzt leben. Das sind ein paar Erwachsene, im Berufsalltag auch viele Kinder und hin und wieder Tiere. 

 

Der größte Lehrmeister - das Leben selbst - und der Fluss des Lebens der Menschen, den ich Permation nenne, beinhalten allesamt dieses Prinzip der Gegenwärtigkeit. Fluss. Alles fließt. Jetzt. Leichte Weisheit. Tiefe Weisheit.

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    . (Samstag, 12 August 2023 01:39)

    Cool